zu 17a BeurkG
Unterschreitung der Frist des § 17 Abs. 2a BeurkG
Urteil des III. Zivilsenats vom 23.8.2018 – III ZR 506/16 –
Leitsatz:
Die Unterschreitung der Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG kann unter unschädlich sein kann, wenn der beteiligte Verbraucher geschäftserfahren ist und sich im Zeitraum zwischen Entwurfszugang und Beurkundung umfassend mit dem Entwurf auseinandergesetzt hat, was dadurch zum Ausdruck kommen kann, dass er Änderungswünsche zum Entwurf formuliert.
Tatbestand
- Der Kläger nimmt den beklagten Notar auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung in Anspruch.
- Die im Dezember 2003 gegründete O. GmbH (im Folgenden auch: Bauträgerin) beabsichtigte, den sanierungsbedürftigen und unter Denkmalschutz stehenden Grundbesitz “O. ” in T. instand zu setzen, in 15 Wohnungseinheiten aufzuteilen und sodann als Eigentumswohnungen zu veräußern. Zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 900.000 € erhielt die – im Übrigen nicht mit Kapital ausgestattete – O. GmbH von der P. AG, einer Gesellschafterin, ein Darlehen über 450.000 €. Zu dessen Sicherung wurde eine erstrangige Grundschuld an dem Objekt bestellt und im Grundbuch eingetragen. Der offene Restkaufpreis wurde ebenfalls durch eine im Grundbuch eingetragene Grundschuld abgesichert. Der Beklagte beurkundete sowohl den Gesellschaftsvertrag als auch den Kaufvertrag und die Grundschuldbestellungen.
- In der Folgezeit kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der O. GmbH und der P. AG, die den Darlehensvertrag kündigte. Auf Antrag der P. AG ordnete das Amtsgericht K. am 7. März 2005 die Zwangsversteigerung des gesamten Grundbesitzes “O. ” an. Daraufhin wurde am 11. März 2005 ein Zwangsversteigerungsvermerk in das Grundbuch eingetragen.
- Am 30. März 2005 übermittelte der Beklagte, dem zu diesem Zeitpunkt ein vom 18. August 2004 datierender Grundbuchauszug vorlag, dem Kläger den Entwurf eines Kaufvertrags über eine der Wohnungen mit einer Sanierungsverpflichtung der Verkäuferin.
- Am 31. März 2005 schlossen die P. AG und die O. GmbH einen widerruflichen Vergleich, in dessen Folge der Zwangsversteigerungsvermerk am 4. April 2005 wieder gelöscht wurde. Dies ergab sich auch aus dem vom Beklagten vor der Beurkundung angeforderten – aktuellen – Grundbuchauszug vom 5. April 2005.
- Einen – Änderungswünsche des Klägers berücksichtigenden – weiteren Vertragsentwurf übersandte der Beklagte diesem am 8. April 2005. Der Kaufvertrag wurde am 12. April 2005 beurkundet. Weder zu diesem Zeitpunkt noch bei Übersendung eines der beiden Entwürfe wies der Beklagte auf den (gelöschten) Zwangsversteigerungsvermerk hin.
- Vereinbarungsgemäß zahlte der Kläger zwischen Juni und Dezember die ersten drei Kaufpreisraten. In diesem Zeitraum kam es noch zweimal zur Eintragung von Zwangsversteigerungsvermerken, die jedoch ebenfalls wieder gelöscht wurden.
- Der O. GmbH gelang es infolge finanzieller Schwierigkeiten nicht, die Wohnanlage fertigzustellen. Der Kläger kündigte am 5. Mai 2006 den Bauträgervertrag. Zusammen mit anderen Wohnungseigentümern ließ er die noch ausstehenden Sanierungsarbeiten auf eigene Kosten ausführen. Am 12. September 2006 wurde für die O. GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und später das Insolvenzverfahren eröffnet.
- Der Kläger wirft dem Beklagten vor, verschiedene ihm gegenüber bestehende Amtspflichten verletzt zu haben.
- Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten mit einstimmigem Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
- Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe seine ihm dem Kläger gegenüber obliegende Amtspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG verletzt, indem er den Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der O. GmbH vor Ablauf der maßgeblichen Zwei-Wochen-Frist am 12. April 2005 beurkundet habe. Umstände, aus denen sich eine Verkürzung der Frist hätten ergeben können, habe der Beklagte weder konkret vorgetragen, noch seien sie sonst ersichtlich. Bereits deswegen bestehe ein kausaler Zusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden, den der Beklagte, den insoweit die Darlegungs- und Beweislast treffe, nicht widerlegt habe. Davon unabhängig ergebe sich eine weitere dem Beklagten anzulastende Amtspflichtverletzung daraus, dass er es unterlassen habe, vor Übersendung des Vertragsentwurfs an den Kläger einen aktuellen Grundbuchauszug einzuholen. In den vorab zu übermittelnden Vertragsentwurf seien gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG sämtliche Informationen aufzunehmen, die erforderlich seien, das von der Norm geforderte Schutzniveau zu erreichen. Dies erfordere es, alle für den Vertrag wesentlichen Elemente zu berücksichtigen. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG seien die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des beurkundeten Kaufvertrags zu unterrichten, wozu auch der Hinweis auf die bestehenden Belastungen und deren Bedeutung gehöre. Der Schutzzweck des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG gebiete, dass die relevanten Umstände, die sich aus dem Grundbuch ergäben, in dem Vertragsentwurf berücksichtigt würden. Der Beklagte hätte daher zeitnah vor Übermittlung des beabsichtigten Textes des Rechtsgeschäfts Einblick in das Grundbuch nehmen und den Zwangsversteigerungsvermerk in dem Text der beabsichtigten Vertragsurkunde erwähnen müssen. In Kenntnis der Umstände hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, die finanziellen Schwierigkeiten der Verkäuferin zu erkennen und sich innerhalb der zweiwöchigen Überlegungsfrist bei einem sachkundigen Dritten oder dem Beklagten über die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung eines Zwangsversteigerungsvermerks zu erkundigen. Zugleich hätte der Beklagte den Kläger in Erfüllung der ihn aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG treffenden Amtspflicht darüber belehren müssen, dass ein solcher Zwangsversteigerungsvermerk ein Warnsignal für bestehende finanzielle Schwierigkeiten des Grundstückseigentümers sei. Entsprechend aufgeklärt, hätte der Kläger – wofür die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens spreche – den Kaufvertrag nicht oder jedenfalls nicht ohne weitergehende Sicherungsmaßnahmen abgeschlossen.
- Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen lassen sich die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO nicht bejahen.
- 1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Verstoß des Beklagten gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG in der bis zum 30. September 2013 geltenden und für die Beurkundung am 12. April 2005 maßgeblichen Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) wegen der Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist angenommen.
- (a) Der Notar soll bei Verbraucherverträgen – ein solcher liegt hier vor – darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen. Bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, geschieht dies in der Regel dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird.
- Der Regelung lag die Befürchtung zugrunde, der Verbraucher werde die Möglichkeit der Aufklärung durch den Notar anlässlich einer Beurkundung oft nicht ausreichend nutzen, wenn er unvorbereitet zum Notartermin erscheine, etwa weil Terminabsprachen sehr kurzfristig erfolgten, ohne dass sich der Verbraucher mit dem Text des beabsichtigten Rechtsgeschäfts habe vertraut machen und sich überlegen können, welche Fragen er an den Notar richten wolle. Oft erfahre der Verbraucher auch erst im Beurkundungstermin, dass der Notar einige für ihn ausschlaggebende Fragen gar nicht zu prüfen habe. Gleichwohl scheuten viele Verbraucher davor zurück, einen Termin “platzen zu lassen”. Im Ergebnis bleibe dann das Aufklärungspotential des Beurkundungsverfahrens ungenutzt (vgl. BT-Drucks. 14/9266 S. 50).
- Der Verbraucher soll mithin vor unüberlegtem Handeln geschützt werden, was regelmäßig erreicht wird, wenn nach Mitteilung des Textes des beabsichtigten Rechtsgeschäfts eine Überlegungsfrist von zwei Wochen besteht (Senatsurteil vom 25. Juni 2015 – III ZR 292/14, BGHZ 206, 112 Rn. 16). Die Regelfrist von zwei Wochen nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG steht nicht zur Disposition der Urkundsbeteiligten (Senatsurteile vom 7. Februar 2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 179 Rn. 20 und vom 25. Juni 2015 aaO).
- (b) Diese Frist hat der Beklagte zwar nicht eingehalten, als er den Vertrag am 12. April 2005, mithin 13 Tage nach Übersendung des Entwurfs, beurkundet hat. Dies ist vorliegend jedoch unschädlich.
- (aa) Die Frist kann im Einzelfall unterschritten werden. Insbesondere soll sie sich nicht als unnötige “Beurkundungssperre” auswirken. Damit der Gedanke des Verbraucherschutzes nicht in den Hintergrund tritt, kommt ein zulässiges Abweichen von der Regelfrist aber nur dann in Betracht, wenn nachvollziehbare Gründe – auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers – es rechtfertigen, die ihm zugedachte Schutzfrist zu verkürzen. Voraussetzung für die Nichteinhaltung der Frist ist deshalb ein sachlicher Grund für ihre Abkürzung. Der vom Gesetz bezweckte Übereilungs- und Überlegungsschutz muss auf andere Weise als durch die Einhaltung der Regelfrist gewährleistet sein (zu allem Vorstehenden: Senatsurteil vom 25. Juni 2015 aaO). Dabei ist es für eine zulässige Abweichung von § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG nicht nötig, dass in einem Fall, in dem der gesetzlich geforderte Übereilungsschutz in ausreichendem Maße anderweitig gewährleistet ist, zusätzlich (kumulativ) ein sachlicher Grund für die Abweichung vorliegen muss (Senat aaO Rn. 18).
- (bb) Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Gesichtspunkt nicht hinreichend auseinandergesetzt, insbesondere unstreitigen Vortrag des Beklagten unberücksichtigt gelassen.
- Hiernach war der Kläger nicht nur berufsbedingt geschäftserfahren, sondern hatte sich mit dem ihm übersandten Kaufvertragsentwurf bereits umfassend auseinandergesetzt, was darin zum Ausdruck kam, dass er über die Verkäuferin per E-Mail vom 4. April 2005 einen Kaufvertragsentwurf mit seinen Änderungswünschen übersandt hatte. Diese Änderungen hat der Beklagte eingearbeitet, mit seinem Antwortschreiben vom 8. April 2005 kommentiert und dem Kläger sodann einen neuen Entwurf zurückgesandt. Der Kläger hatte die Überprüfung des Vertragsentwurfs daher bereits abgeschlossen. Hinweise darauf, dass er innerhalb der verbleibenden Zeit von nur einem Tag weitere Ermittlungen hätte anstellen oder externen Rat hätte einholen wollen und sich dabei Umstände ergeben hätten, die ihn von der Durchführung des Vertrages abgehalten hätten, bestehen nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfung durch den geschäftsgewandten Kläger nicht beendet war und er tatsächlich noch mehr Zeit benötigt hätte, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dies spricht dafür, dass der Beklagte davon ausgehen durfte, es werde kein weiterer Tag Wartezeit mehr benötigt, und der Vertrag dürfe in der geänderten Version sofort beurkundet werden. Änderungen des beabsichtigten Vertragstextes, die vom Verbraucher ausgehen, sind bis zum Vertragsabschluss ohne weiteres möglich, ohne dass erneut eine Zweiwochenfrist einzuhalten ist (vgl. Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 4. Aufl. Rn. 606 mwN). Dies gilt umso mehr, als die Frist am 12. April 2005 um nur einen Tag unterschritten wurde, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass dies für sich betrachtet die Nichteinhaltung der Frist nicht wird rechtfertigen können (vgl. Diehn/Seger, BNotO § 14 Rn. 126). Das Berufungsgericht wird in dem neuen Verfahren die grundsätzlich ihm vorbehaltene tatrichterliche Würdigung zu diesem Komplex unter Einbeziehung der vorstehenden Gesichtspunkte zu wiederholen haben.
- 2. Ob ein Verstoß gegen die Amtspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (a.F.) unter dem Gesichtspunkt in Betracht kommt, dass den Angaben in dem dem Kläger übermittelten Vertragsentwurf und insbesondere den dort aufgeführten Belastungen keine aktuelle Grundbucheinsicht zugrunde lag, sondern diese auf einem Grundbuchauszug Stand August 2004 beruhten, kann vorliegend im Ergebnis offen bleiben.
- (a) Allerdings muss der zur Verfügung zu stellende Text Informationen enthalten, die der Verbraucher benötigt, um die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsgeschäfts zu prüfen oder prüfen lassen zu können (BeckOGK/Regler, § 17 BeurkG, Stand: 13. Mai 2016, Rn. 200). Nach überwiegender Auffassung muss er jedenfalls eine Wiedergabe der wesentlichen Vertragsinhalte – insbesondere die essentialia negotii, mithin Angaben zum zu erwerbenden Grundbesitz, zum Vertragspartner und zum (noch verhandelbaren) Kaufpreis – beinhalten (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2014 – NotSt(Brfg) 3/14, BGHZ 203, 273 Rn. 20; Winkler, Beurkundungsgesetz, 18. Aufl. § 17 Rn. 167; Armbrüster, in Armbrüster/Preuß/Renner, Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und Notare, 7. Aufl., § 17 Rn. 221; Regler, aaO; Staudinger/Hertel, BGB, Neubearbeitung 2017, Beurkundungsgesetz Rn. 527; vgl. auch Haug/Zimmermann, aaO, Rn. 599). Der Zweck der Vorschrift des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG, dem Verbraucher Gelegenheit zu geben, sich ausreichend auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten, um dort Fragen stellen zu können, und sich über die wirtschaftlichen, steuerlichen oder sonstigen Aspekte des Geschäfts (z.B. die Angemessenheit des Kaufpreises oder die Person seines Vertragspartners), die von der Schutzfunktion der notariellen Beurkundung nicht erfasst sind, zu informieren und gegebenenfalls extern beraten zu lassen, oder die Finanzierung zu klären (Senatsurteil vom 25. Juni 2015 aaO Rn. 19; Seger aaO Rn. 80 ff), legt nahe, dass der Grundbuchstand und insbesondere die auf dem Grundstück liegenden Lasten und/oder deren beabsichtigte Löschung oder Übernahme eine wesentliche Information für den Verbraucher darstellen. Es dürfte auch der bereits praktizierten notariellen Übung entsprechen, die Grundstücksbelastungen in den Vertragsentwurf aufzunehmen (vgl. dazu auch Grziwotz, in ZfIR 2009, 627, 629; Junglas, in NJOZ 2012, 561, 564; Winkler, aaO). Dass solche Informationen auf einer zeitnah vorgenommenen Grundbucheinsicht beruhen sollten, ist ebenso naheliegend.
- (b) Geht man von einer solchen Verpflichtung des Notars aus – wobei ebenfalls offenbleiben kann, ob dem beklagten Notar mit Blick darauf, dass der Wortlaut des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG dies nicht explizit fordert und eine entsprechende Pflicht, soweit ersichtlich, weder damals noch heute in der Rechtsprechung oder Literatur diskutiert worden ist, überhaupt ein schuldhaftes Handeln vorgeworfen werden könnte -, fehlt es jedenfalls an dem nötigen Zurechnungszusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und dem Abschluss des Kaufvertrages.
- Die Ursächlichkeit der Amtspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden hängt nach ständiger Rechtsprechung von der Beantwortung der Frage ab, wie die Dinge verlaufen wären, wenn der Notar pflichtgemäß gehandelt hätte, und wie sich die Vermögenslage des Betroffenen in diesem Fall darstellen würde (z.B. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1985 – IX ZR 91/84, BGHZ 96, 157, 171 mwN).
- Hätte der Beklagte seiner – unterstellten – Pflicht entsprechend gehandelt, wäre die zwischenzeitliche Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks ebenfalls unbekannt geblieben. Dann wäre der Entwurf mit derselben Information über den Grundbuchstand versandt worden, wie tatsächlich geschehen, und die Dinge hätten denselben Verlauf genommen.
- Dem Beklagten hätte für eine Grundbucheinsicht ein gewisser Zeitraum zur Verfügung gestanden, innerhalb dessen er eine solche Pflicht hätte erfüllen dürfen. Für den zeitlichen Horizont einer solchen Einsichtnahme könnte im Zusammenhang mit der Informationspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG kein anderer Maßstab gelten als bei der Ermittlung des Grundbuchstands unmittelbar vor der Beurkundung. Die insoweit einschlägige Vorschrift des § 21 Abs. 1 Satz 1 BeurkG enthält keine Regelung, wie lang der Zeitraum zwischen der Grundbucheinsicht und der Beurkundung des Rechtsgeschäfts sein darf. Vielmehr liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Notars, die Angemessenheit des Zeitraums im Einzelfall zu beurteilen (Rezori, in Armbrüster/Preuß aaO, § 21 BeurkG Rn. 15; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, Bundesnotarordnung, 8. Aufl., § 14 Rn. 149). Die Einsichtnahme wird jedoch möglichst zeitnah zu dem Beurkundungstermin zu erfolgen haben (vgl. Rezori aaO Rn. 16). Es werden diesbezüglich Richtwerte von zwischen zwei und vier bis maximal sechs Wochen vertreten (vgl. BeckOGK/Regler, aaO, Stand: 15. Februar 2018, § 21 Rn. 23; Rezori aaO; Lerch, Beurkundungsgesetz, Dienstordnung und Richtlinienempfehlung der BNotK, 5. Aufl., § 21 BeurkG Rn. 15; Frenz, in Eylmann/Vaasen, Bundesnotarordnung und Beurkundungsgesetz, § 21 Rn. 2; Hertel aaO, Rn. 483; Sandkühler aaO; Winkler aaO, § 21 Rn. 14; Heinemann in Grziwotz/Heinemann, Beurkundungsgesetz, 2. Aufl., § 21 Rn. 14). Ob die Fristen bei einer Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren gemäß §§ 133 ff GBO anders zu bewerten wären, kann vorliegend auf sich beruhen, da der Beklagte diesem seinerzeit noch nicht angeschlossen war. Hiernach wäre eine durchschnittliche Frist von drei bis vier Wochen zwischen der Grundbucheinsicht und der Versendung des Vertragsentwurfs zulässig. Der Beklagte hat dem Kläger den Vertragsentwurf am 30. März 2005 übersandt. Der Beklagte hätte diesem dementsprechend eine Grundbucheinsicht vor der am 11. März 2005 erfolgten Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks zugrunde legen dürfen.
- 3. Im Übrigen hat der Beklagte pflichtgemäß nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BeurkG am 5. April 2005 zeitnah vor dem Beurkundungstermin am 12. April 2005 das Grundbuch eingesehen. Der bei der Beurkundungsverhandlung vorliegende Grundbuchauszug war erst eine Woche alt und gab den aktuellen Grundbuchstand wieder.
- 4. Bei der Beurkundungsverhandlung musste der Beklagte grundsätzlich nicht auf den wieder gelöschten Zwangsversteigerungsvermerk hinweisen.
- Eine solche Pflicht traf den Beklagten weder im Zusammenhang mit der Belehrung über die rechtliche Tragweite des zu beurkundenden Kaufvertrags gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG noch in Verbindung mit einer aus § 14 Abs. 1 BNotO hergeleiteten erweiterten Belehrungspflicht, die sich auch auf die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts erstrecken kann, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalls – vor allem der rechtlichen Anlage oder vorgesehenen Durchführung des Geschäfts – Anlass zu der Vermutung besteht, einem Beteiligten drohe ein Schaden vor allem deswegen, weil er sich infolge mangelnder Kenntnis der Rechtslage der Gefahr wirtschaftlich nachteiliger Folgen des zu beurkundenden Geschäfts nicht bewusst ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009 – III ZR 135/08, BeckRS 2009, 8360 Rn. 6 mwN und Senatsurteil vom 22. Juli 2010 – III ZR 293/09, BGHZ 186, 335 Rn. 14).
- Die mit der noch nicht gelöschten Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks in das Grundbuch einhergehenden Auswirkungen auf die rechtliche und wirtschaftliche Durchführbarkeit des Vertrags bestanden – anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 22. Juli 2010 entschiedenen Parallelverfahren (vorstehend: III ZR 293/09, BGHZ 186, 335 ff) – vorliegend gerade nicht mehr. Die Beschlagnahme des Grundstücks mit der Wirkung eines Veräußerungsverbots (§ 20 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG, §§ 135, 136 BGB) war bereits wieder aufgehoben, weshalb die Veräußerung ohne weiteres durchführbar war. Eine Belehrung über die mit einem Zwangsversteigerungsvermerk verbundenen Rechtsfolgen für das Geschäft und die Durchführbarkeit des Vertrages war zu diesem Zeitpunkt deshalb nicht mehr geboten. Zugleich entfiel das in dem Zwangsversteigerungsvermerk liegende Indiz für (weiterhin) bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten der Verkäuferin und Bauträgerin nebst zu befürchtender Auswirkungen für die Verwirklichung des Bauvorhabens.
- Über die zeitweilige Existenz des (gelöschten) Zwangsversteigerungsvermerks musste der Beklagte den Kläger ebenfalls nicht ohne weiteres unterrichten. Es ist nicht Aufgabe des Notars, die Beteiligten auf in der Vergangenheit liegende Umstände, die einer Vertragspartei möglicherweise Anlass geben könnten, die (damalige) Leistungsfähigkeit ihres Vertragspartners zu hinterfragen oder überprüfen zu wollen, aufmerksam zu machen. Hinweisen zur allgemeinen Bonität eines Vertragspartners, die anders als ein eingetragener Zwangsversteigerungsvermerk eine ausschließlich wirtschaftliche Komponente haben, hat sich ein Notar vielmehr im Allgemeinen zu enthalten, weil er anderenfalls gegen seine Pflicht zur Neutralität gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO verstoßen würde. Auf eventuell bestehende Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Vertragsbeteiligten muss der Notar – so ihm diese, was vorliegend streitig ist, überhaupt bekannt sind – regelmäßig nicht hinweisen. Die Belehrungspflicht des Notars erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die wirtschaftliche Tragweite des Rechtsgeschäfts oder dessen wirtschaftliche Zweckmäßigkeit. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Auswirkungen eines Geschäfts ist in erster Linie Sache der Parteien, wie ihnen auch die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Vertragspartners überlassen bleibt (Senatsurteil vom 22. Juli 2010 aaO Rn. 16 m.zahlr.w.N.). Mit Bedenken gegen eine bestimmte Person als Vertragspartner braucht sich der Notar grundsätzlich nicht zu befassen oder auf Zweifel an ihrer Vertrauenswürdigkeit hinweisen (Senatsurteil vom 22. Juli 2010 aaO Rn. 23).
- 5. Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage befasst, ob den Beklagten jedoch aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Hinweispflicht traf oder er seine Amtstätigkeit gemäß § 14 Abs. 2 BNotO zu versagen hatte, weil mit dem Geschäft erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1991 – IX ZR 24/90, DNotZ 1991, 759, 761), insbesondere das verfolgte Geschäftsmodell auf Betrug der (potentiellen) Käufer angelegt war (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1966 – VI ZR 39/65, NJW 1967, 931, 932). Die Vorinstanz wird dies auf der Grundlage des umfassenden diesbezüglichen Vortrags der Parteien gegebenenfalls nachzuholen haben.
- Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und, da die Sache noch nicht zur Endentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Gründe
I.
II.
III.
Vorinstanzen: LG Krefeld, Entscheidung vom 29.07.2015 – 2 O 397/07 – OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.10.2016 – I-14 U 12/16 –